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Karl Lanckoroński – „Der letzte Humanist der europäischen Aristokratie“ - Im Dienste der Monarchie

Im Dienste der Monarchie

Im Jahre 1874, nach dem Tod seines Vaters, erbte Karl Lanckoroński dessen Sitz im österreichischen Herrenhaus. Ebenso wie sein Vater bekleidete er das Amt eines geheimen Hofrates. Am 24. Dezember 1878 wurde er zum Kämmerer, im Jahre 1914 zum Oberstkämmerer ernannt. [68] Dieser Titel wurde ihm vom Kaiser nicht nur in Anbetracht der Familientradition und familiärer Einflüsse verliehen (sein Onkel Karl war Oberstkämmerer), sondern auch oder vor allem in Anerkennung seines Wirkens und seiner Verdienste.
Mit großer Tatkraft plante Lanckoroński weitgehende Veränderungen. Er wollte die Zahl der Beamten reduzieren und deren Gehälter erhöhen; er propagierte die Dezentralisierung der kaiserlichen Sammlungen und die Errichtung eines separaten Gebäudes für die Antikensammlung sowie die Verlegung der kaiserlichen Gemäldegalerie in die Stockwerke des Oberen Belvedere, wobei die Säle des Unteren Belvedere für die Sekundärgalerie bestimmt waren. Er konnte jedoch nur wenige Reformen durchsetzen. „Da habe ich fast gar nichts machen können“ – erinnerte er sich – „Kaiser Franz Josef I war schon ein alter Mann (..). Für neue Ideen war er kaum irgendwie zugänglich. Dann ist ja bald der Weltkrieg ausgebrochen, und da haben wir alle zusammen wohl auch andre Sorgen gehabt.“ [69]
Karl Lanckoroński gehörte dem Kuratorium des Kaiserlich-Königlichen Österreichischen Handelsmuseums und des Kaiserlich-Königlichen Österreichischen Museums für Kunst und Industrie an. Er war Mitglied der im Jahre 1863 einberufenen Kunstkommission im Ministerium für Kultus und Unterricht (sein Name wird in der Zusammensetzung dieser Kommission im Jahre 1902 erstmals genannt). [70] Im Jahre 1898 wurde in diesem Ministerium der zweite Beratungsausschuss – der Kunstrat – gegründet, unter dessen Mitgliedern der Name von Lanckoroński zu finden ist (zum ersten Mal im Jahre 1900 erwähnt). [71]
Der Graf setzte sich aktiv für die Gründung staatlicher österreichischer  Denkmalschutz-Organisationen ein. Dies war das Konzept von Alois Riegl, das von Max Dvořák erfolgreich weitergeführt wurde. Lanckoroński war Vizepräsident der Zentralkommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale. Im Rahmen der inneren Strukturen der Zentralkommission war er Mitglied der Sektion für mittelalterliche und neuzeitliche Denkmale (gemeinsam mit Heinrich Swoboda, Caspar Zumbusch, Max Dvořak und Stanisław Tomkowicz), des Restaurierungskomitees, des Komitees für Heimatschutz und Kunstfragen, des Publikationskomitees sowie des Komitees für Denkmalschutzgebung. Dank seiner Initiative entstand in Krakau eine Filiale der Zentralkommission, die ab 1. Mai 1914 von Tadeusz Szydłowski, Landeskonservator für Westgalizien geleitet wurde. [72]
Am 16. Dezember 1908 wurde Lanckoroński zum Vorsitzenden des Vereins zum Schutze und Erhaltung der Kunstdenkmäler Wiens und Niederösterreichs gewählt. [73] Er war eine unumstrittene Autorität auf dem Gebiet des Denkmalschutzes. „Es ist in den letzten Jahrzehnten in Österreich und vor allem in Wien keine Frage des öffentlichen Kunstinteresses verhandelt worden, in der er nicht seine Stimme laut und eindringlich erhoben hätte; alle Angelegenheiten des Bauwesens und der Denkmalpflege hat er sich nicht nur als Vizepräsident der Zentralkommission behandelt, sondern in leidenschaftlicher Weise zur eigenen Sache gemacht.“ [74] Im Jahre 1901 setzte er sich für den Schutz des Westportals des Stephansdoms, des so genannten Riesentors, ein [75], dessen „mutmaßliche alte romanische Form“ [76] wiederhergestellt werden sollte. Er plädierte auch für die Integrität des Karlsplatzes in Wien und erhob Einspruch gegen den Bau des Kaiser Franz Joseph-Stadtmuseums. Nach Ansicht von Experten würde dieses Gebäude die räumliche Struktur des Platzes, der von der Karlskirche dominiert wurde, verändern. Diese seit 1899 diskutierte Frage rief nicht nur in den Kreisen Wiener Denkmalschützer Kontroversen hervor. Sieger des Planungswettbewerbs für die Errichtung des neuen Museums waren zwei Kandidaten - Otto Wagner, der innovative Lösungen im Geist des aufkommenden Modernismus propagierte, sowie Friedrich Schachner, der Architekt des Historismus, der die Formen des Wiener Barocks bevorzugte. Die Debatte, die anfänglich im Expertenkreis geführt wurde, wurde durch Presse und Flugblätter weiter bekannt. Im Herbst und Winter 1907 spitzte sie sich zu, als nach dem Tode von Schachner die Durchführung des Entwurfs von Wagner in Betracht gezogen wurde. Es wurde heftig protestiert. Einspruch erhoben das Künstlerhaus, die Zentralkommission für Erforschung und Erhaltung von Kunst- und historischen Denkmale sowie der Verein zum Schutze und zur Erhaltung der Kunstdenkmale Wiens und Niederösterreichs. Als Gespräche mit Wagner aufgenommen wurden, wandten sich Karl Lanckoroński, Fürst Franz von und zu Liechtenstein, Graf Hans Wilczek sowie Graf Friedrich Schönborn mit einer Petition an den Wiener Bürgermeister. Sie forderten ihn auf, auf die Errichtung des Museums an diesem Ort zu verzichten, weil dies „eine schwere Versündigung gegen den Geist des Bauwerks und gegen den künstlerischen Ruf der Stadt Wien“ [77] wäre. Die Petition wurde in kurzer Zeit von 6000 Personen unterzeichnet und am 17. Dezember 1907 von Lanckoroński, Wilczek und Paul Schoeller dem Bürgermeister vorgelegt. [78] Mit seiner Missbilligung der Errichtung des Museums in moderner architektonischer Gestalt protestierte Lanckoroński nicht prinzipiell gegen eine Verbauung des Platzes. Er forderte die Errichtung eines Gebäudes für die Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums nach dem Vorbild der Glyptothek, die sich am Münchner Königsplatz befindet. [79]
Lanckoroński beteiligte sich aktiv an der Debatte über das künftige Aussehen des Königsschlosses auf dem Wawel, das von der österreichischen Armee requiriert worden war. [80] Seit den 1880er Jahren versuchte man, den Kaiserhof in Wien dazu zu bewegen, dem polnischen Volk den einstigen polnischen Königssitz zurückzugeben. Karl Lanckoroński bezeichnete die Stationierung österreichischer Truppen im Krakauer Königsschloss anlässlich einer Sitzung des Reichsrats als „Kulturschande“ [81]. Gemeinsam mit Friedrich Ohmann diskutierte er das Projekt der Rekonstruktion des Wawels, das vom Krakauer Architekten Zygmunt Hendel entworfen worden war. Er war einer der vier nominierten Mitglieder [82] des Landeskomitees, des so genannten Wawelkomitees, das für Begutachtung und Aufsicht zuständig war und weitgehende Entscheidungskompetenz hinsichtlich der künstlerischen Gestaltung des Schlosses besaß. Seine Ansichten und Konzeptionen, die mit den Forderungen der Wiener Denkmalpfleger nach Erhalt eines Gebäudes mit all seinen Übereinanderschichtungen von Stilen übereinstimmten, riefen den Widerspruch der Krakauer Konservatoren hervor. Während eines an der Jagiellonen-Universität gehaltenen Vortrags sagte er über den Sitz der polnischen Könige: „Man braucht mehr denn je Achtung für alles, was die Zeiten überdauert hat und aus vergangenen Epochen erhalten blieb, mit der Ausnahme allzu zweckorientierter und geschmackloser Hinzufügungen, wenn ein Gebäude zweitrangigen Zwecken diente.“ [83] Lanckoroński war Anhänger der Idee einer historischen Restaurierung, die er viel radikaler verstand als Stanisław Tomkiewicz. Der Kunsthistoriker legte diesbezügliche Regeln im Jahre 1901 fest und definierte das Kriterium „künstlerisches Merkmal“. Er äußerte sich kritisch hinsichtlich weit gehenden Rekonstruktionen.
In der Broschüre „Einiges über neuen Arbeiten in der Kathedrale auf dem Wawel“ [84] kritisierte er zeitgenössische Kunstwerke in der Wawelkathedrale, den Baldachin über dem Grabmal von Władysław I. Ellenlang und die Wandmalereien von Józef Mehoffer in der Schatzkammer der Kathedrale sowie jene von Włodzimierz Tetmajer in der Königin Sophie-Kapelle. Er hielt den Künstlern vor, dass sie „ihre Seele nicht auf die ernste Atmosphäre dieser Mauern einstimmen könnten“ [85] und das Prinzip der Angemessenheit, demzufolge Schönheit und Harmonie aus der Zweckmäßigkeit eines Kunstwerks resultieren, missdeuteten. Die intensiven Farben sowie die Verzierungen in der modernen Malerei störten ihn in den Mauern des ehemaligen Gebäudes und Der Monumentalität der Kathedrale angemessen erachtete er seine eigenen Stiftungen, das nach dem Muster der italienischen Renaissanceskulptur von Antoni Madeyski errichtete Grabmal von Königin Hedwig und die pseudomittelalterliche Grabplatte von Kardinal Zbigniew Oleśnicki, die im Geiste des Historismus von Caspar Zumbusch ausgeführt wurde. Diese seine Haltung war die Ursache des Konflikts mit Józef Mehoffer, der in seinem polemischen in Ver Sacrum publizierten Text auf die Vorwürfe des Grafen reagierte. Er befürchtete, dass die Stimme des sich eines hohen Ansehens erfreuenden „Ausländers“ nicht nur für die Restaurierung der Kathedrale ausschlaggebend sein würde, sondern zur Bildung eines merkwürdigen Kanons beitragen und die Spontanität künstlerischen Schaffens behindern würde. [86]
Nach Intervention von Lanckoroński wurden die Arbeiten in der Wawelkathedrale durch Bischof Jan Puzyna eingestellt. [87] Zwischen April und Mai 1903 wurde die Bestellung von Glasfenstern für die Kathedrale in Płock, mit der der  Künstler nach gewonnener Ausschreibung im Dezember beauftragt wurde, zurückgezogen. [88]

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