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Grabskulpturen am Lytschakiwski-Friedhof in Lemberg

Marcin Biernat

Am 25. April 2017 hielt Marcin Biernat im Rahmen der Projektpräsentationen von Stipendiaten der Lanckoroński-Stiftung in der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien einen Vortrag über Grabplastiken auf dem Lytschakiwski-Friedhof in Lemberg.

Der Direktor des Zentrums von 2007 bis 2019, Prof. Bogusław Dybaś, hieß die zahlreich erschienenen Gäste herzlich willkommen und stellte den Referenten des Abends vor. Marcin Biernat ist Kunsthistoriker sowie Absolvent des Instituts für Kunstgeschichte der Jagiellonen-Universität Krakau. Zurzeit ist er am Königsschloss auf dem Wawel beschäftigt. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Kunst der Neuzeit sowie zeitgenössische Kunst unter besonderer Berücksichtigung Lembergs sowie des einstigen Galiziens. Viele Jahre hindurch arbeitete er an einem Projekt zur Dokumentation der Kunstdenkmäler in den östlichen Grenzgebieten Polens mit. Er ist Autor und Mitautor einer Reihe von Monographien, die im Rahmen der Publikationsreihe „Materiały do dziejów sztuki sakralnej na ziemiach wschodnich dawnej Rzeczypospolitej“ [Materialien zur Geschichte der Sakralkunst in den östlichen Gebieten des einstigen Polen-Litauens], Teil I: „Kościoły i klasztory rzymskokatolickie dawnego województwa ruskiego“ [Römisch-Katholische Kirchen und Klöster der einstigen russischen Wojewodschaft] vom Internationalen Kulturzentrum in Krakau unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Jan Ostrowski herausgegeben wurden. Seit 2008 befasst er sich mit der Dokumentation Lemberger Grabplastiken und unterstützt auf diese Weise auch das polnisch-ukrainische Denkmalpflegerteam, das die Kunstdenkmäler am Lytschakiwski-Friedhof restauriert.

Der Lytschakiwski-Friedhof in Lemberg ist die wichtigste Nekropole und Skulpturengalerie in den einst polnischen Gebieten in der heutigen Ukraine. Eine der ersten Publikationen zu diesem Thema war das von Władysław Ciesielski verfasste Werk „Pomnikowe rysy z cmentarzy lwowskich“ [Denkmäler auf Lemberger Friedhöfen], das 1890 erschien, sowie die kritische Rezension aus der Feder des Bildhauers Julian Markowski über das Werk von Ciesielski, das unter dem Titel „Cmentarz Łyczakowski w opisie ´Pomnikowych rysów z cmentarzy lwowskich` Władysława W. Ciesielskiego“ [Der Lytschakiwski-Friedhof in der Darstellung „Denkmäler auf Lemberger Friedhöfen“ von Władysław W. Ciesielski] im Jahr 1890 erschien, in dem auch die Entwicklung der Lemberger Skulpturenkunst im 19. Jahrhundert dargelegt wird. Eine Monographie über den Lytschakiwski-Friedhof erschien erst im Jahr 1988 – das Werk „Cmentarz Łyczakowski we Lwowie 1786-1986“ [Der Lytschakiwski-Friedhof in Lemberg 1786-1986], verfasst von Stanisław S. Nicieja. 2007 wurde die Dissertation von Jurij Biriulow veröffentlicht, in der dieser den stilistischen Wandel der in Lemberg entstandenen Skulpturen vom 19. Jahrhundert bis 1939 beschreibt.

Bis dato widmeten sich Arbeiten, die sich mit dem Lytschakiwski-Friedhof befassten, fast ausschließlich Fragen der Zuordnung von Kunstwerken, biographischen Themen sowie der stilistischen Einordnung einzelner Werke. Fragen zu Inspirationsquellen sowie zur Ikonographie der Skulpturen und Gräber blieben weitgehend unberücksichtigt. Studien zu Einzelobjekten, die aufgrund sorgfältiger Recherchen in Archiven, Zeitungen sowie ikonographischen Beständen verfasst wurden, ermöglichen es nun, den bisherigen Forschungsstand auszuweiten. Der Hinweis auf Vorbilder in Form von Entwürfen, Analogien sowie Wiederholungen erlaubt es, die Entstehungszeit einzelner Objekte genauer zu bestimmen. Für die heutige und künftige denkmalpflegerische Arbeit am Lytschakiwski-Friedhof ist die Auffindung von neuen ikonographischen Materialien besonders wichtig.

Marcin Biernat erklärte auch, wie er an ikonographisches Material gelangt. Er lud zu einem Spaziergang durch den Lytschakiwski-Friedhof ein, wobei er die Ergebnisse seiner bisherigen Forschungen über die durch ein polnisch-ukrainisches Denkmalpflegerteam mit Unterstützung des polnischen Ministeriums für Kultur und nationales Erbe in der Zeit von 2008 bis 2016 restaurierten Grabdenkmäler vorstellte. Dabei handelt es sich überwiegend um klassizistische Denkmäler aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Auf der Grundlage von Einzelbeispielen erklärte der Referent einige Methoden, mit Hilfe derer zunächst schriftliche Erwähnungen und ikonographisches Material gesammelt werden. Darauf folgt eine gründliche Analyse, was mitunter auch zu einer Änderung der bis dato geltenden Lehrmeinung führt. In manchen Fällen zeitigt dieser große Arbeitsaufwand vielversprechende Ergebnisse - insofern, dass das Schaffen von so manchem Künstler auf diese Weise neu bewertet wird.

Der Referent stellte auch die Geschichte der Lemberger Friedhöfe kurz vor und besprach vor allem das künstlerische Schaffen klassizistischer Bildhauer aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – Hartman Witwer aus Imst in Tirol, Anton Schimser und dessen Bruder Jan aus Wien sowie Paweł Eutele. Er erläuterte die Charakteristika von deren Werken. Am Beispiel der Grabsteine von Maria Anna Ponińska de domo Kalinowska und Rosalia Mieleniewska de domo Gross-Rypińska zeigte der Referent, warum manche Zuschreibung von Kunstwerken in Frage zu stellen ist, und betonte die Schwierigkeit von Werkzuschreibungen aufgrund des Fehlens von Quellen, ikonographischem Material und Vergleichsmaterialien sowie des Ausmaßes der Beschädigung mancher Werke. Er präsentierte auch seine Schlussfolgerungen nach einem Vergleich mit anderen Werken dieser Künstler, u.a. mit den in Lemberger Sakralbauten erhalten gebliebenen Grabmälern wie jenem von Katarzyna Jabłonowska de domo Ossolińska von H. Witwer in der Lateinischen Kathedrale sowie jenem von Franz von Hauer, Gouverneur von Galizien, von Schimser in der Dominikanerkirche in Lemberg. Weiters stellte er seine Neuinterpretation des Grabmal von Ponińska vor, das von einem Obelisken bekrönt ist und sein Pendant in dem sich auf der gegenüberliegenden Seite der Allee befindlichen Grabmals von Johann Jacob von Gaisruck, Gouverneur von Galizien, vom selben Aussehen findet. Es lässt sich als eine Art symbolisches Tor in die Friedhofslandschaft interpretieren, ein Motiv ägyptischen Ursprungs, das von der neueren Architektur übernommen wurde. Als Beispiele können das Tor von Schloss Schönbrunn in Wien und das Tor des Schloss in Wożczyn in Polen gelten. Dieses Motiv ist beispielweise auch bei einem Epitaph Grafen Windischgrätz im Entree der Schottenkirche in Wien zu finden. Auch erörterte der Referent den Grabstein von Maria Miączyńska, ein Werk von Paris Filippi, das der romantischen Skulpturenkunst einer späteren Epoche zuzuordnen ist. Dabei wies er auf formelle Analogien im Schaffen von Władysław Oleszczyński, der mit Filippi zusammenarbeitete, hin.

Auf den Vortrag folgte eine interessante Diskussion, in deren Verlauf zahlreiche Fragen bezüglich detaillierter Aspekte des Vortragsinhalts gestellt wurden, beispielsweise hinsichtlich der Verfügbarkeit von Informationen über die am Lytschakiwski-Friedhof bestatteten Personen, seiner Größe sowie bisherigen Forschungen und Bestandsaufnahmen. Abschließend stellte der Referent fest, dass sich die Zusammenarbeit des polnisch-ukrainischen Denkmalpflegerteams von Jahr zu Jahr besser entwickelt, was sich auch in der Qualität der von ihnen restaurierten Werke widerspiegelt. Abschließend dankte Direktor des Wissenschaftlichen Zentrums der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien Prof. Bogusław Dybaś den Gästen für ihre Teilnahme und lud alle herzlich ein, die interessanten Gespräche bei einem Glas Wein fortzusetzen.

Adam Czartoryski

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