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Thalassische Kultur oder maritime Obsession ?

Prof. Stefan Troebst

Prof. Stefan Troebst, Professor für Kulturstudien Ostmitteleuropas am Institut für Slavistik der Universität Leipzig und Stellvertretender Direktor des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) an der Universität Leipzig hielt auf Einladung des Direktors des Wissenschaftlichen Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Bogusław Dybaś, am 7. Mai 2009 einen Abendvortrag, in dem er das Verhältnis Polens zum Meer im Laufe der Geschichte beleuchtete.
Zu Beginn des Vortrags wurde die Frage gestellt, wie es dazu kommen konnte, dass die überwiegend agrarisch geprägte Gesellschaft eines Kontinentalstaats, dessen Bevölkerung zu 85 Prozent mehr als 200 Kilometer von der Küste entfernt lebte und der über einen einzigen Ostseehafen verfügte, ein so großes Interesse an Meeren und Seefahrt und sogar an überseeischen Kolonien entwickelte? Mit Blick auf das polnische 20. Jahrhundert wurde dieser Frage im Vortrag von Prof. Troebst nachgegangen, es wurde aber auch die diesbezüglich widersprüchliche Vorgeschichte beleuchtet. Dabei sind die titelgebenden Termini des Vortrags   „Meeresbewusstsein“ (świadomość morska) und „Meerespolitik“ (polityka morska) Termini aus dem Polen der Zwischenkriegszeit und nicht etwa individuelle Wortprägungen, wie Prof. Troebst betonte.
Die Neugründung des polnischen Staates nach dem Ersten Weltkrieg, die neue Grenzziehung der kommunistischen Volksrepublik Polen nach dem Zweiten Weltkrieg, das Entstehen der freien Gewerkschaft "Solidarność" sowie der Übergang zur demokratischen Dritten Republik nach 1989 waren jeweils von einer explizit maritimen Geschichtspolitik begleitet. Polens Zugang zum Meer sowie seine Präsenz auf den Weltmeeren wurden als Beleg konsolidierter Staatlichkeit gewertet, der bis 1939 mit einem fast imperialen Anspruch verknüpft wurde. Die historischen Wurzeln dieses ideologieresistenten Meeresbezuges reichen dabei lediglich in die Teilungszeit des 19. Jahrhunderts zurück - davor, in der Adelsrepublik der frühen Neuzeit, lebte die Szlachta "mit dem Rücken zum Meer", es herrschte eine gewisse "Ozeanophobie" vor. Der Umstand, dass das Meer seinen festen Platz auf der mental map und in der nationalen Mythologie der Polen (wieder)gefunden hat, geht indes nicht ausschließlich auf staatlich inszenierte Traditionsschöpfung zurück. Auch die Oppositionsbewegungen griffen gerne auf maritime Symbole zurück. So gehörte zu den maritimen Solidarność-Symbolen der Anker, der auf die Armia Krajowa, der Untergrundarmee während des Zweiten Weltkriegs, verwies. Das „Heimatarmee“-Symbol bestand aus den zu einem Anker zusammengefügten Buchstaben „P“ und „W“, die für „Polska walcząca“ (Kämpfendes Polen) standen.

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