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Die „Entdeckung“ der Karpaten: Begegnungen zwischen Flachländern und Gebirgsbewohnern

Dr. Patrice Dabrowski

Am 23. Mai 2016 fand im Wissenschaftlichen Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften eine Veranstaltung im Rahmen des Klubs der Professoren, der in Wien tätig ist, statt. Den Abend eröffnete Mag. Joanna Ziemska, Vorsitzende des Klubs der Professoren und Vortragende am Zentrum für Translationswissenschaft an der Universität Wien. Sie begrüßte alle Gäste herzlich und stellte Dr. Patrice Dabrowski vor. Diese ist Historikerin und unterrichtete an der Harvard Universität, Brown Universität und an der Universität in Massachusetts in Amherst. Zurzeit ist sie an der Universität Wien tätig. Dr. Dabrowski ist auch  für ihre Bücher Commemorations and the Shaping of Modern Poland, Poland: The First Thousand Years uvm bekannt. 
Nach der Einleitung übergab Mag. Joanna Ziemska das Wort an die Referentin. 
Diese bedankte sich für die Einladung und begann ihren Vortrag mit einem kurzen geographischen Überblick über die Karpaten. Dr. Dabrowski stellte folgende Leitfragen: Wann genau begannen die einzelnen Teile dieses weitläufigen Gebirges, zu dem die Tatra und die Ostkarpaten gehören, modern zu werden? Von wem und für wen wurden sie für den Tourismus „entdeckt“ und wie entwickelten sich diese Regionen?

Die „Entdeckungsgeschichte“ begann vor Beginn des Ersten Weltkrieges. Es kam damals zu ersten Begegnungen von Flachländern und Bergbewohnern in Regionen, die zum ehemaligen Habsburgerreich gehörten und heute in Polen beziehungsweise in der Ukraine liegen, also im einstigen Galizien. Die „Entdeckung“ des Tatragebirges und die Begegnung seiner Bewohner, der Goralen (polnisch: Górale), mit den Flachländern war bemerkenswert. Die Flachländer waren Träger der nationalen Idee im Gegensatz zu den Gebirgsbewohnern, die zum damaligen Zeitpunkt über eine lokale Identität verfügten. Als diese zwei Gruppen miteiander in Kontakt traten, hatte dies Folgen für die Selbstwahrnehmung der Menschen. Die Bergbewohner begannen sich selbst als national wahrzunehmen, während die nationalbewussten Flachländer dazu tendierten, die Bergbewohner als wertvolles Element ihrer Nation wahrzunehmen. Anstelle eines Zusammenpralls von Kulturen kam es zur Umformung von Identitäten. Mit der Zeit wurde das Tatragebirge mit dem entlegenen Dorf Zakopane zu einem populären Ort, an dem viele berühmte Polen, Schriftsteller und Maler zusammenkamen und urlaubten. Das Interesse an den Bergen beschränkte sich jedoch nicht nur auf das Tatragebirge. Auch die Ostkarpaten mit ihren Bergbewohnern, den Huzulen (ukrainisch: Huzuly), wurden durch die Polen, aber auch, in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, von nationalbewussten Ukrainern entdeckt. Das Huzulendorf Kryworiwnja wurde zu einem bevorzugten Reiseziel zahlreicher ukrainischer Schriftsteller, Maler und Denker.

Diese „Entdeckungsgeschichten“ zeigen, wie bedeutsam Begegnungen dieser Art für die Bildung nationaler, regionaler und lokaler Identitäten sein konnten. Ein Paradoxon ist jedoch, dass Gebirge Seltenheitswert in beiden Ländern haben. Polen gilt als Flachland, die Ukraine als Steppe, dennoch dienten Berge im 
19. Jahrhundert, als es weder ein unabhängiges Polen, noch eine unabhängige Ukraine gab, als Inspirationsquelle. Wäre nicht der Erste Weltkrieg  ausgebrochen, dann wäre das weitere Schicksal der Bergbewohner anders verlaufen.

Mit diesen Worten beendete Dr. Dabrowski ihren Vortrag und bedankte sich bei den Gästen für die Aufmerksamkeit.

Im Anschluss an den Vortrag trugen zahlreiche Fragen und Anmerkungen aus dem Publikum zu einer regen Diskussion bei. Nach der Diskussion gab es ein Konzert der Violinistin Karla Križ und des Pianisten Venčeslav Križ, die das Violinkonzert in g-Moll, op. 26 von M. Bruch zur Aufführung brachten. Abschließend dankte Univ.-Prof. Bogusław Dybaś den Gästen für ihre Teilnahme und lud alle herzlich ein, die interessanten Gespräche bei einem Glas Wein fortzusetzen.

Anna Jaworski

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